Stellungnahme der Interessengemeinschaft „Umgehungsstraße“ e.V.
zum Entwurf vom 13.08.2013
Lärmaktionsplan der Gemeinde Bad Schönborn nach § 47d Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
Die Interessengemeinschaft „Umgehungsstraße e.V.“, begrüßt und unterstützt die Forderungen der Gemeinde bzgl. Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie der Forderung von Maßnahmen, welche die Einhaltung überwachen. Ebenso begrüßen und unterstützen wir die Forderungen nach aktivem und passivem Lärmschutz, wenn auch passiver Lärmschutz nach unserer Einschätzung nur den Charakter einer Notlösung hat und zu Recht von den Betroffenen als unzureichend erachtet wird.
Nachfolgend möchten wir zu Punkten des Aktionsplans Stellung nehmen, danach zum Erläuterungsbericht des Ingenieurbüros Köhler-Leutwein (IB K-L) und abschließend weitere Punkte adressieren, die aus unserer Sicht wesentlich sind.
Zu Punkt 1:
Unter Punkt 1 des Aktionsplan wird die schnellstmögliche Fortführung der Planung der Umgehungsstraße K3575 gefordert. Berücksichtigt man den heutigen Stand der Planung, die noch nicht erfolgte, rechtskräftige Planfeststellung, die unklare Finanzierungssituation sowie die Bauzeit kann diese Straße bei ehrlich-optimistischer Schätzung nicht vor 2020 fertiggestellt werden. Bis dahin kann durch diese Maßnahme keine Lärmentlastung herbeigeführt werden.
Im Vorwort des Lärmaktionsplans wird völlig zu Recht konkludiert, dass kurzfristig wirksame Maßnahmen der Lärmreduzierung erforderlich sind. Es ist mehr als unglücklich, wenn unmittelbar darauf mit ersten Punkt des Lärmaktionsplans eine Maßnahme gefordert wird, mit der sich diese kurzfristige Wirkung ohne jeden Zweifel nicht erreichen lässt.
In den 15 Jahren (seit der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens, hat es die Gemeinde weitgehend versäumt, konsequent wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der innerörtlichen Verkehrsbelastungen zu ergreifen. Erst jüngste Initiativen zeigen hier ein Umdenken, wie z.B. Tempo 30-Zonen an der B3 oder die Planungen für eine Überarbeitung der Situationen an der B3 auf Höhe der Ohrenbergstraße und der Römerstraße.
Aus langjährigen Erfahrungen mit dem Bau von Umgehungsstraßen ist unter Verkehrsexperten heute allgemein anerkannt, dass Umgehungsstraßen nur dann die erwünschte Entlastungswirkung entfalten, wenn begleitend innerörtlich Maßnahmen zur wirksamen Reduzierung der Verkehrsbelastung ergriffen werden. Da die Gemeinde weiterhin den Bau der K3575 als vordringlichste Maßnahme favorisiert, muss sie deshalb konsequenterweise bereits heute mit der Planung dieser begleitenden Maßnahmen beginnen, damit diese bei Fertigstellung der Straße ebenfalls umgesetzt sind. Solange die Gemeinde dies versäumt, handelt sie bei dieser Planung in ihrem Vorgehen inkonsequent.
Besonders kritisch ist hierbei, dass die geplante Straße nach dem Willen und den Prognosen des Planers zusätzlichen Verkehr induziert und was bedauerlicherweise bisher während der langen Planung nie hinterfragt wurde. Stellt die Gemeinde die erforderlichen begleitenden Maßnahmen nicht sicher, so riskiert sie, dass die Umgehungsstraße – wie in anderen misslungenen Planungen auch – ausschließlich zu einer Erhöhung der gesamten Verkehrsmenge im Gemeindegebiet führt und damit zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation.
Zu Punkt 3:
Die Forderung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 km/h innerhalb der Ortsdurchfahrten auf der B3 sollte nicht alleine durch die Aufstellung von Geschwindigkeitsbegrenzungsschildern bewerkstelligt werden, sondern auch durch unterstützende, bauliche Maßnahmen. Insb. sollte die sich hier ergebende Möglichkeit genutzt werden, durchgängige und sichere Wege für Fußgänger und Fahrradfahrer entlang der B3 zu schaffen.
Punkt 4:
Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 70 km/h sollte bereits nördlich der Abfahrt zu den Bruchhöfen beginnen, sodass in Höhe der Abfahrt bereits Tempo 70 km/h sichergestellt ist.
Punkt 7:
Ebenso wie an der Rochusstraße sind lärm- und verkehrsvermindernde Maßnahmen jenseits der B3 in der Bahnhofstrasse erforderlich. Auf diese Erfordernis wird in den Erläuterungen des IB K-L explizit hingewiesen. Die Karte 1 „Durchschnittlicher täglicher Verkehr – Vergleich“ zeigt, dass die Belastungen in der Bahnhofstraße noch über denen in der Rochusstraße liegen. Es ist deshalb nicht nachzuvollziehen, warum die Bahnhofstraße trotz des expliziten Hinweises des IB K-L nicht in den Lärmaktionsplan einbezogen wurde.
Zum Erläuterungsbericht des Ingenieurbüros Köhler-Leutwein:
Die Verkehrsexperten stützen sich bei ihren Erläuterungen auch auf ein Verkehrsmodell ihres Hauses aus dem Jahr 2008 mit einem höheren Detailgrad, wodurch präzisere Aussagen möglich sind. Sie schreiben: „Generell zeigt sich, dass die von der LUBW verwendeten Verkehrsbelastungen unter denen unseres Verkehrsmodells liegen“. Im vorletzten Absatz verstärken sie diese Aussage nochmals: „… in den Ortsdurchfahrten Mingolsheim und Langenbrücken existieren z.T. erhebliche Unterschiede in den Verkehrsbelastungen zwischen den verwendeten Daten des LUBW und den Belastungen aus unserem Verkehrsmodell, so dass in Mingolsheim in einzelnen Abschnitten die Emissionen … bei gleicher Geschwindigkeit um bis zu 2 dB(A) höher liegen, als bei der LUBW.“.
2 dB(A) mehr bedeuten einen um 60% höheren Schalldruckpegel. Das bedeutet sehr erhebliche, keinesfalls vernachlässigbare Abweichungen in den zugrundeliegenden Verkehrsmengen. Zur Erläuterung folgendes einfache Beispiel: Wenn ein schwerer LKW mit 50 km/h etwa 86 dB(A) emittiert, dann emittieren zwei schwere LKW, also eine Verdopplung des Verkehrs, 89 dB(A).
Demnach muss von höheren Lärmimmissionen ausgegangen werden. Dies darf die Gemeinde nicht ignorieren. Vielmehr muss dies Anlass sein, genaue Belastungen zu ermitteln. Damit würde die Gemeinde eine solide und belastbare Grundlage schaffen für die zuverlässige Planung von wirksamen Maßnahmen als auch stärkere Argumente für ihre Forderungen gegenüber den Baulastträgern gewinnen. Würden dadurch weitere Teilstrecken mit Belastungen über 70 dB belegt, könnte Bad Schönborn beim Bauträger einen vordringlichen Bedarf geltend machen und die Chance auf Umsetzung der geforderten Maßnahmen erheblich erhöhen. Sofern man das IB K-L mit der Ausarbeitung beauftragen würde, wäre eine Neu-Erstellung eines Verkehrsmodells verzichtbar, was sicherlich auch aus Kostensicht eine interessante Option wäre.
Aktivitäten der Gemeinde zur Lärmminderung
Insgesamt ist es enttäuschend, dass der Entwurf der Gemeinde ausschließlich Maßnahmen benennt, die außerhalb ihres direkten Handlungsbereichs liegen. Das ist zu wenig.
Wir regen an, auf der Grundlage einer noch zu schaffenden soliden, belastbaren Verkehrsanalyse ganzheitliche Verkehrskonzepte zu entwickeln und in den Aktionsplan aufzunehmen. Hierzu gehören insbesondere gezielte Maßnahmen zur Reduktion des Kfz-Binnenverkehrs sowie zur Verkehrsvermeidung sowie Maßnahmen zur gezielten Förderung alternativer Verkehre wie z.B. Fußgängerverkehr, Fahrradverkehr und öffentlichen Nahverkehr.
Bad Schönborn sollte als Kurgemeinde den Anspruch an sich haben, dass alle öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Einkaufszentren, Rathäuser, Kur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen, …) von allen Ortsteilen auf attraktive Weise zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können.
Eisenbahnlärm
Im geplanten Lärmaktionsplan der Gemeinde findet der Umstand, dass Bad Schönborn an einer ausgewiesenen Haupteisenbahnstrecke liegt, keinerlei Berücksichtigung. Ein Blick auf die Lärmkarten des Eisenbahn-Bundesamts zeigt, dass der Lärm entlang der gesamten Strecke in Gleisnähe 70 dB(A) überschreitet und an vielen angrenzenden Häusern 65 dB(A). Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Der Lärmaktionsplan muss Maßnahmen formulieren, welche die Belastungen aus dieser Quelle mindert.
Kein Millimeter mehr als unbedingt nötig?
Bei der Studie des Entwurfs kann man den Eindruck gewinnen, dass mit dem Lärmaktionsplan der Gemeinde nur Bereiche berücksichtigt wurden, für die es auf Grund der vorliegenden Daten und den gesetzlichen Verpflichtungen zwingenden Handlungsbedarf gibt. Wir würden uns wünschen, dass im Lärmaktionsplan der Gemeinde glaubhaft und klar erkennbar ist, dass die Maxime des Handelns die Fürsorge für das Wohl und die Gesundheit aller Bürger ist. Hierzu muss eine Auseinandersetzung mit der Lärmsituation im gesamten Ort erfolgen, und insbesondere auch überlagernde Lärme wie Straßen- und Eisenbahnlärm betrachtet werden. Maßnahmen für Abhilfe sind dann an allen Stellen mit identifiziertem Handlungsbedarf erforderlich. Fürsorge nach unserem Verständnis bedeutet nicht, den gesetzlich gegeben Rahmen bis an die Grenze „auszureizen“ und nur dort zu handeln, wo die Überschreitung von gesetzlichen Grenzwerten dazu „nötigt“.
Beispiele für weitere Zonen mit Handlungsbedarf
Ein Beispiel ist die oben bereits erwähnte Bahnhofstrasse in Mingolsheim (K3522 westl. der B3).
Ein weiteres Beispiel ist die K3576 in Langenbrücken. Durch den Bau der Dr. Alfred Weckesserstrasse hat die K3576 heute bereits de facto die Wirkung einer Umgehungstrasse für Langenbrücken. Bisher liegen keinerlei Untersuchungen zu den dadurch entstandenen Verkehrsbelastungen und Lärmimmissionen vor. Insb. die hohe Lage der Straße gegenüber den direkt angrenzenden Häusern am Kinzigring und die in der Regel überhöhten Geschwindigkeiten am Asternweg verursachen erhebliche Belastungen der betroffenen Anwohner.
Keine ausreichende Planungsgrundlage
In den Ausführungen des IB K-L auf der Informationsveranstaltung der Gemeinde sowie im Erläuterungsbericht wurde auf den Umstand hingewiesen, dass mit der vorliegenden Untersuchung keine detaillierte Verkehrswege- und Lärmaktionsplanung für die Gemeinde möglich ist. Das IB K-L hat deshalb in ihrem Erläuterungsbericht auch Ergebnisse der Untersuchungen aus dem Jahre 2008 einfließen lassen, um präzisere, differenziertere Aussagen treffen zu können. Die Daten wurden im Rahmen einer Untersuchung der Verkehrssituation in Östringen ermittelt.
Sie zeigen beispielhaft auf, warum das Verkehrsmodell der LUBW alleine nicht geeignet ist, um die Situation in der Gemeinde im Detail sachgerecht zu analysieren und daraus für verschiedene Teilstrecken geeignete, wirksame Maßnahmen abzuleiten: „Verkehrsmengenänderungen existieren in den Daten des BMVZ nur an größeren Netzknoten des klassifizierten Straßennetzes. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass z.B. für beide Ortsteildurchfahrten eine einheitliche Verkehrsbelastung als Kartierungsgrundlage verwendet wurde. Insbesondere im Ortsteil Mingolsheim findet im Verlauf der B3 an der Verknüpfung mit der K3522 eine relativ deutliche Belastungsänderung statt.“ Und etwas später: „Von der LUBW wurden im Rahmen der Kartierung Kreisstraßen generell nicht kartiert“.
Die LUBW hat die Wahl der Netzknoten in ihrem Verkehrsmodell auf das von ihr verfolgte Ziel abgestellt. Für eine sachgerechte Analyse und Maßnahmenplanung der Gemeinde Bad Schönborn reicht dies jedoch nicht aus. Hierzu ist ein Verkehrsmodell erforderlich, welches alle wichtigen Verkehrsknoten im Gemeindegebiet und der für den Verkehr relevanten Umgebung als Netzknoten erfasst. Weder die Untersuchung des LUBW noch die Untersuchung im zur der K3575-Planung können dies leisten.
Die Gemeinde muss deshalb diese Lücke schließen und eine geeignete Datengrundlage für die Maßnahmenplanung schaffen.
Bürgerbeteiligung
Wir begrüßen, dass die Gemeinde Bad Schönborn interessierte Bürger im Rahmen einer Informationsveranstaltung zu den Ergebnissen der Lärmkartierung informiert hat. Ebenso möchten wir die offene und freundliche Unterstützung bei der Einsichtnahme der Unterlagen lobend erwähnen.
Hinsichtlich der Offenlegung selbst und der Möglichkeit zur Einsichtnahme und Stellungnahme wurde allerdings lediglich einmal im Ortsblatt informiert. Die Zeiten zur Einsichtnahme liegen – zwar nachvollziehbar – aber leider doch so, dass die Mehrzahl der berufstätigen Bürger sich Urlaub nehmen müssen, um die bereitgestellten Unterlagen zu sichten.
Dies kann ohne Aufwand verbessert werden, um einen breiteren Austausch mit betroffenen Bürgern zu ermöglichen. Es wäre es hilfreich und heute auch nicht unüblich, wenn Planungsunterlagen und Stellungnahmen der Gemeinde ihren den Internet-Seiten publiziert werden. Die würde interessierten und engagierten Bürger eine bessere Möglichkeit bieten, sich in Ruhe mit der Planung auseinander setzen, ihre Stellungnahmen vorzubereiten und die Gemeindevertreter mit gezielten Fragen anzusprechen. Ebenso wäre es möglich, die Stellungnahme der Gemeinde im Ortsblatt zu veröffentlichen verbunden mit dem freundlichen Hinweis, dass es der ausdrückliche Wunsch der Gemeinde ist, dass Bürger ihre Fragen, Interessen, Ideen und Wünsche dazu vortragen.
Für ihre Rückfragen und eine Diskussion stehen wir sehr gerne zur Verfügung.
(Michael Göpfrich) (Lothar Huber)
für den Vorstand des IG „Umgehungsstraße“ e.V.